Die ETH Zürich will ihren Standort auf dem Hönggerberg ausbauen. Die einstige Aussenstation soll zum städtischen Campus mit Raum für Freizeit und Begegnung werden. Die Grundlage dazu liefert der Masterplan 2040: Er sieht eine etappenweise Verdichtung nach innen mit vier Höhenakzenten vor.
Die ETH Zürich wächst – quantitativ mit mehr Studierenden und Professuren, aber auch qualitativ durch neue Lehr- und Lernformen sowie technische Innovationen. Dafür braucht die Hochschule zusätzliche Flächen. Für den Ausbau hält die ETH an den beiden Hauptstandorten Zentrum und Hönggerberg fest. Im Zentrum ist die bauliche Entwicklung jedoch aufgrund der historischen Stadtstrukturen begrenzt. Mit der Umsetzung des aktuell laufenden Masterplans Hochschulgebiet Zürich Zentrum (TEC21–12-13/2018) kann also nur ein Teil des Bedarfs abgedeckt werden.
Dementsprechend fokussiert die Hochschule für ein langfristiges Wachstum auf den Standort Hönggerberg. Gemäss eigenen Hochrechnungen erwartet die ETH hier bis 2040 eine Baumasse von rund 1.9 Mio. Kubikmeter. Die heute gültigen Sonderbauvorschriften «ETH Hönggerberg (Science City)» von 2007 erlauben nur 1.38 Mio. Kubikmeter, die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen angepasst werden. Die öffentliche Auflage der neuen Sonderbauvorschriften und der BZO-Teilrevision bis Ende Juli war ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.
Lernstadt im Grünen
Der erste Bebauungsplan für die Aussenstation Hönggerberg stammte von Albert Heinrich Steiner und entsprach einer ganzheitlichen Vorstellung von Städtebau. Bereits in den ersten Skizzen von 1959 manifestierte sich eine klassische, städtebaulich hierarchisierte Ordnung, geprägt durch die forumartige Anordnung der Unterrichtstrakte mit Einbindung offener Grünflächen und der Trennung von motorisiertem Verkehr und Fussgängern.
Die Idee der «durchgrünten Stadt» setzte man bei den ersten ausgeführten Bauten von 1963 bis 1971 erfolgreich um. Dieser Bestand ist heute im Bundesinventar schützenswerter Ortsbilder Schweiz (ISOS) mit der höchsten Erhaltungsstufe klassifiziert. Später kehrte sich das Konzept allmählich ins Gegenteil: Der sparsame Umgang mit dem Boden stand im Vordergrund, ein ganzheitlicher Städtebau verlor zugunsten der Verdichtung an Bedeutung. Es resultierte eine lose Aneinanderreihung unterschiedlicher Bauten mit wenig Aussenraumqualitäten.
Ausbau in Etappen
Die neuen Sonderbauvorschriften beruhen auf dem Masterplan 2040, den EM2N Architekten zusammen mit Schmid Landschaftsarchitekten 2015 ausgearbeitet haben. Er ist das Resultat einer Testplanung, an der auch Fawad Kazi mit Hager Partner und Hosoya Schäfer Architekten mit Henri Bava, Agence Ter, teilnahmen. Der Masterplan 2040 von EM2N entwickelt den «Masterplan Science City» von KCAP / Kees Christiaanse aus dem Jahr 2005 weiter. Zentrale Elemente – wie eine Ringstrasse rund um den Campus und publikumsorientierte Nutzungen in den Erdgeschossen – werden weiterverfolgt. Städtebaulich beruht das Konzept auf Verdichtung nach innen, was die umliegende Landschaft frei hält, abgesehen von den beiden Bauten am nördlichen und südlichen Eingang zum Campus.
In einer ersten Etappe ab 2019 (im Plan grün) soll das HIF-Gebäude verlängert und dann das HIL-Gebäude teilweise aufgestockt werden. Anstelle der 1987 errichteten Holzpavillons HIP, HIQ und HIR von Benedikt Huber entsteht das neue Labor- und Bürogebäude HPQ. Den Wettbewerb dazu gewannen Ilg Santer Architekten im Sommer 2016. In der zweiten Etappe sollen mittelfristig die ersten Hochhäuser realisiert werden. Vorgesehen ist ein Portalgebäude (30 bis 50 m) Richtung Höngg und ein weiteres gegen Affoltern (50 bis 80 m). Hier soll eine öffentliche Terrasse die Gebäude ergänzen – vergleichbar mit der Polyterrasse vor dem ETH-Hauptgebäude im Zentrum. Das dritte Hochhaus (bis 80 m) steht an der zentralen Piazza zwischen den Gebäuden HIL und HCI.
Erst langfristig und für die dritte Etappe sind Neubauten vorgesehen, die in den Bestand greifen (braun). Die neuen Bauten und das vierte Hochhaus entlang der Wolfgang-Pauli-Strasse sollen aus dieser einen Boulevard machen mit öffentlich zugänglichen Cafés, Läden oder Ausstellungsflächen in den Erdgeschossen. Zudem ist ein weiterer Neubau hinter dem sechseckigen Hörsaalgebäude HPH vorgesehen.
Bei der laufenden Planung gesteht man den Grünräumen wieder eine grössere Bedeutung zu. Der geschützte Albert-Steiner-Garten zwischen den Physikbauten bleibt erhalten, der Flora-Ruchat-Roncati-Garten hinter dem HIL wird flächenmässig verdoppelt. Ein neuer Garten ist auch im Bereich der Studierenden-Wohnbauten geplant. Das Innere des Campus bleibt weiterhin autofrei, dafür wird der öffentliche Verkehr ausgebaut. Bereits heute erreichen 78 % den Campus Hönggerberg mit dem ÖV, 11 % mit dem Velo und 7 % mit dem Auto. Der ETH-Link, der Verbindungsbus zwischen dem Standort Zentrum und dem Hönggerberg, fährt seit 2017 mit einem dichteren Fahrplan. Ab Herbstsemester 2018 erhöht auch die Buslinie 80 ihre Frequenz. Mittelfristig sollen hier Doppelgelenk-Trolleybusse für mehr Kapazität sorgen.
Heute wie einst
Der jüngste Masterplan ist die plausible Weiterentwicklung der «Science City»-Idee. Die Klärung der Zugänge und die konsequente Verdichtung nach innen bedeuten folgerichtig eine vertretbare Entwicklung in die Vertikale. Der geschützte Bereich der Steiner-Bauten bleibt klugerweise vorerst unangetastet. Die ETH sichert sich somit Spielräume für die Zukunft und kann schrittweise dem jeweiligen Raum- und Infrastrukturbedarf der nächsten Generationen nachkommen.
Mit den geplanten Hochhäusern schliesst sich ein Kreis: Bereits 1960 löste der Vorschlag von Albert Heinrich Steiner, auf dem Hönggerberg Hoch- und Terrassenhäuser zu implantieren, heftige Diskussionen aus. Auch heute meldet sich gegen die Hochhäuser bereits Widerstand vonseiten der Quartiervereine und der Denkmalpflege. • Text: Andreas Kohne
Schweizerische Bauzeitung – TEC21, 2018, Heft Nr. 35, PDF
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