Herzog & de Meuron gewinnen den internationalen Wettbewerb für das neue Bildungs- und Forschungszentrum Forum UZH der Universität Zürich im Hochschulquartier mit einem tiefgründigen Projektvorschlag.
Die Universität Zürich (UZH) plant grosse Schritte beim Ausbau ihrer räumlichen Infrastruktur. Im Rahmen ihrer «Zwei-Standorte-Strategie» sollen die über das Stadtgebiet verstreuten Institute und Ableger an den zwei angestammten Hauptarealen zusammengeführt werden. Dabei steht die Lage «Zentrum» für Konsolidierung und der Standort «Irchel» für Ausbau und Wachstum.
Unmittelbar gegenüber vom Universitäts-Hauptgebäude von Karl Moser und Robert Curjel aus dem Jahr 1914 soll auf dem Areal Wässerwies bis 2027 ein neues Bildungs- und Forschungsgebäude gebaut werden. Der Neubau für rund 6500 Studierende und 1100 Mitarbeitende wird eine grosse Bibliothek enthalten, Räume für die Lehre, 700 Arbeitsplätze für Studierende, Sportmöglichkeiten, eine Mensa und öffentliche Nutzungen. «Der wissenschaftliche Austausch sowie der Dialog mit der Öffentlichkeit werden ausserordentlich von diesem Kollegiengebäude des 21. Jahrhunderts profitieren», verspricht sich Uni-Rektor Michael Hengartner.(1)
Eingebettet ist das Forum UZH in das Generationenprojekt Hochschulgebiet Zürich Zentrum HGZZ (vgl. Kasten), das Lehre, Forschung und medizinische Versorgung im Stadtzentrum stärken und ein lebendiges Hochschulquartier schaffen soll. In langjähriger Planungsarbeit mit den beteiligten Institutionen wurden auf Grundlage von Masterplänen und Vertiefungsstudien die kantonalen Gestaltungspläne ausgearbeitet. Dabei lag das Augenmerk stark auf dem Stadtraum und der Gestaltung der Strassen- und Freiräume. Das erarbeitete Stadtraumkonzept wurde abschliessend in ein verbindliches Weissbuch überführt (vgl. «Die Suche nach dem Dazwischen»).
Das darin enthaltene Regelwerk war eine massgebende Grundlage für den einstufigen Projektwettbewerb Forum UZH im selektiven Verfahren, den die Baudirektion des Kantons Zürich 2018 durchführte. Aus 80 Bewerbungen wählte man elf Generalplanerteams aus dem In- und Ausland aus.
Der Befreiungsschlag
Das Siegerprojekt «Gloria» von Herzog & de Meuron bezieht sich stark auf die bestehenden repräsentativen Bauten der Universität und der ETH. Diese Solitärbauten sind von der Rämistrasse zurückversetzt und reagieren mit Sockeln und Terrassen auf die örtliche Topografie. Im Innern dienen grosszügige Hallen wie der Lichthof im Hauptgebäude der Universität als Begegnungsorte. Beim Projektvorschlag von Herzog & de Meuron finden diese stadt- und innenräumlichen Typologien eine zeitgenössische Anwendung: Der unterirdische Sockel beinhaltet die Räume für die Lehre. Um eine zentrale Halle – das Forum – stufen sich Plateaus, von denen die Räumlichkeiten hangwärts erschlossen werden. Das verbindende Forum als «akademischer Marktplatz» erstreckt sich vertikal über fünf Geschosse in das darüber liegende Volumen und setzt sich horizontal im Aussenbereich als Garten fort – ein Stück Wald inmitten der Universität. Aussen- und Inneräume gehen dabei fliessend ineinander über.
Über dem Sockel liegt ein trapezförmiger Solitär, der mit seinen sechs Geschossen deutlich unter den Höhenvorgaben des Gestaltungsplans bleibt. Dieser Bau für die Bibliothek mit Lesesaal, Büros und Seminarräumen ist von der Rämistrasse zurückversetzt, sodass auf dem Sockel ein zentraler Platz entsteht. Diese neue «Gloriaterrasse» wird zum Ausläufer des angrenzenden Gloriaparks und schafft die Verbindung zum Quartier. Auskragende Deckenplatten und Brise-Soleils unterschiedlicher Form und Grösse strukturieren die Fassade des Gebäudes und geben ihr eine interessante Tiefe. Je nach Blickwinkel erscheint der Bau steinern und schwer oder transparent und leicht.
Zu wenig Repräsentation
Das zweitplatzierte Projekt «Paian» der Arge Buchner Bründler Architekten / Rapp Architekten ist geprägt durch eine klar gegliederte, raumgreifende Volumetrie. Diese ergibt sich durch den Forschungstrakt und die Sporthallen, die im Gegensatz zum Siegerprojekt auf dem Dach angeordnet sind. Das Gebäude versucht mit seiner Plastizität an die prägnanten Bauten der Gründerzeit anzuknüpfen und mittels Stufung und Staffelung gleichzeitig eine differenzierte und vermittelnde Massstäblichkeit für den Ort zu schaffen.
Im Innern ist der Bau klar gegliedert. Das grosszügige halböffentliche Forum mit einem runden dreigeschossigen Atrium verspricht das neue, lebendige Zentrum für das Hochschulgebiet zu werden. Die Jury lobt denn auch die räumlichen Qualitäten und die hohe Funktionalität des Entwurfs, vermisst jedoch das geforderte Mass an Repräsentation.
Die zu offene Ordnung
Auf Rang drei liegt der Entwurf «Offene Ordnung» von Baukunst-Bruther, der städtebaulich und konzeptionell für eine entgegengesetzte Haltung steht. Der Neubau soll nicht als markantes Gebäude im Stadtraum in Erscheinung treten, sondern sich als landschaftliches Element in die Umgebung einfügen. Die flächige Struktur ist als Fortsetzung des Gloriaparks und in Anlehnung an einen Pavillon konzipiert. Sie orientiert sich an der tiefsten Höhenkote des Gestaltungsplans und sucht in ihrer Grundrissform keinerlei Bezug zu den umliegenden Bauten und Strassenlinien. Das Konzept der «offenen Ordnung» wird strukturell mit übereinander gestapelten Geschossdecken und frei fliessenden, mäandrierenden Fassaden übersetzt. Im Innern bieten sich verschiedene Wege an, wobei sich keine fixe Hierarchie ausmachen lässt. Das Forum ist nicht auf einen Ort konzentriert, es erstreckt sich vielmehr über das ganze Gebäude. Der kontroverse Beitrag steht für eine Universität der Zukunft mit hierarchiefreier Organisation und maximaler Durchlässigkeit und Durchmischung.
Relevanz des Öffentlichen
Der Umgang mit dem grossen Raumprogramm und die gleichzeitige Suche nach einem öffentlichen Ort waren neben der Frage nach der adäquaten Gestaltung eines Kollegiengebäudes des 21. Jahrhunderts die grossen Herausforderungen bei diesem Wettbewerb. «Erst das Anheben eines grossen Teils des Raumprogramms in einen schwebenden Baukörper erlaubte es uns, gleichzeitig Tageslicht in den terrassierten Sockel zu bringen und den öffentlichen Raum zu schaffen, den wir suchten. Mit seiner hohen Aufenthaltsqualität und den vielen Bäumen werden der grosse Platz vor dem Neubau, aber auch das Forum zu einem neuen Brennpunkt des universitären und urbanen Lebens», meint Jacques Herzog dazu.(2) • Text: Andreas Kohne
1 Medienmitteilung Universität Zürich, 8. Januar 2019 / 2 Projektbeschrieb Forum UZH, www.herzogdemeuron.com
Schweizerische Bauzeitung – TEC21, 2019, Heft Nr. 7-8, PDF
© Andreas Kohne